Im 2012 übernahm ich, Daniel Wehrli, innerhalb des Vereines die Rolle eines Signifers (Fahnenträger). Ein grosses Problem bei der Zusammenstellung der Ausrüstung ist, wirklich passende und auf die jeweilige Person passende Ausrüstungsgegenstände zu erhalten. Eines davon ist der Helm. Die auf dem freien Markt erhältlichen sind meist mechanisch gepresste Helme mit aufgeschweisstem Nackenschirm und Applikationen aus Messing.
Daher reifte der Wunsch, einen richtigen römischen Helm, angepasst auf meinen Kopf sich anzuschaffen. Einen dazugehörige Gesichtsmaske analog der berühmten Maske von Kalkriese war ebenfalls schon ein lang gehegter Wunsch und soll wenn möglich gleichzeitig mit dem Helm realisiert werden.
Nach langem Suchen fand ich Ende 2013 mit Simon Beyeler einen äusserst kompetenten Schmied der sich dieser Aufgabe angenommen hat: Schmiedehandwerk Simon Beyeler, Internet: www.geschmiedet.ch
Vorlagen
Als Vorlage für den Helm wurde ich sehr schnell fündig. Im Vindonissa-Museum in Brugg (CH) liegt ein wunderschönes Exemplar eines Eisenhelmes vom Typ Weisenau, Datiert in die Mitte des 1.Jahrhunderts. Er wurde in den 1920er Jahren im Schutthügel nördlich des Nordtores gefunden.Leider existiert keine wissenschaftliche Untersuchung zu diesem schönen Stück.
Die Eisenkalotte weist auffallende Augenausbildungen auf. Interessant ist da, dass nicht nur die Augenbrauen, sondern auch das untere Augenlied ausgebildet ist. Die Applikationen sind in Bronze, eine Zierrosette ist ebenfalls noch erhalten, die Rosette ist mit rotem Email hinterlegt. Oberhalb des Stirnrandes des Helmes ist ein Silberblech appliziert. Der Nackenschirm ist sehr schmal gehalten. Die Vermutung, dass dieser Helm zu einem Kavalleristen gehörte ist nicht unbegründet. In meiner Darstellung als Infanterist habe ich beschlossen, den Nackenschirm analog Helmen gleichen Typs grösser auszubilden.
Die nächste Frage, die sich nun stellte, ist die Kombination Infanterist mit Maskenhelm.Die Verbreitung von Maskenhelmen ist bei der römischen Reiterei unbestritten und durch eine gute Fundlage dokumentiert und somit anerkannt. Die Frage, ob das auch bei speziellen Dienstchargen in der Infanterie gebräuchlich oder möglich war, ist nicht abschliessend zu klären. Die Datengrundlagen sind da äusserst dünn gesät. Ein möglicher Hinweis auf die Nutzung von Maskenhelmen bei der Infanterie könnte der Grabstein des Signifer Quintus Luccius Faustus aus Mainz, datiert in die erste Hälfte des 1. Jahrhunderts n.Chr. sein. Er war Soldat der Legio XIV Gemina Martia Victrix, Stationiert im Legionslager von Mainz. Auf seinem Grabstein ist er in kompletter Ausrüstung abgebildet. Über seiner linken Schulter sind Pfoten von einem Tierfell zu sehen und etwas weiter oben ist ein Helm mit Diademförmigen Stirnteil zu erkennen. Im Gesichtsfeld des Helmes sind ganz schwach so etwas wie Gesichtszüge zu erahnen. Dies könnte als Maskenhelm interpretiert werden (so z.B. durch Marcus Junkelmann, Quelle Die Legionen das Augustus). Die Interpretation als Maskenhelm ist aber nicht unumstritten. In meinen Recherchen habe ich über diesen Grabstein etwa gleich viel Pro- wie Kontrameinungen erhalten. Nichts desto trotz habe ich mich dazu entschlossen, die mögliche Rekonstruktion eines Infanteristen mit Maskenhelm weiterzuverfolgen.Als Vorlage für die Gesichtsmaske habe ich mich für die Maske aus Kalkriese (D) entschieden. Diesen Maskentyp lässt sich mit dem Helmtyp gut kombinieren. Die Ohren bleiben als einzigen Körperteil des Kopfes frei. Dies macht aber bei einem Infanteristen auch absolut Sinn (und hat sich bei der praktischen Anwendung bestätigt). Die Arbeiten von Herr Norbert Hanel, Frank Willer und Frau Susanne Wilbers-Rost Die Helmmaske von Kalkriese waren für die Rekonstruktion absolut elementar. An dieser Stelle nochmals herzlichsten Dank an die zur Verfügung gestellten Unterlagen und der Beantwortung meiner vielen Fragen!
Arbeitsvorbereitung
Generell hat sich gezeigt, dass eine wiederkehrendes anpassen, korrigieren und optimieren unumgänglich ist. Dass die Gesichtsmaske nur funktioniert, wenn diese absolut genau angepasst ist, ist ja noch einfach verständlich. Aber auch der Helm muss auf den jeweiligen Kopf passen. Die Grösse, Form und Lage der Wangenklappen müssen auf die Kopfform des Helmträgers passen. Mit der Produktion des Helmes und der Maske konnte Simon Beyeler 2014 starten.
Als erstes musste der Kopf detailliert ausgemessen werden. Besonders die Breite, Tiefe, und Fixpunkte wie Stirn/Augenlage und Position der Ohren mussten ausgemessen werden. Ein wichtiges Hilfsmittel war ein Gipskopf. An diesem konnte jederzeit nicht nur die Helmform sondern auch der Sitz der Gesichtsmaske kontrolliert werden. Der Gipskopf war eine grosse Hilfe. Das Helmpolster, in meinem Fall eine Filzeinlage, musste auch schon vorhanden sein. Somit konnte dieser Masszuschlag von Anfang an berücksichtigt werden.
Rekonstruktion des Helmes
Anhand der Masse und der Erfahrung von Simon Beyeler konnte das Schnittmuster auf das Ausgangsblech übertragen werden. Als Ausgangsblech wurde ein Tiefziehblech mm Dc04 genommen. Dieses Blech zeichnet sich durch eine gute Warmverformbarkeit aus.Ein Versuch mit Stahlblech (S235) zeigte, dass die Belastungen bei der Verformung zu hoch waren und es zu Materialfehler und Rissen kam.
Das Blech wird erwärmt und in mehreren Arbeitsgängen durch Treiben und Stauchen in die gewünschte Form gebracht. Diesen Arbeitsgang nennt man raising. Dieser Arbeitsgang wird auch von Silberschmieden bei der Herstellung von Kelchen angewandt.
Zuerst muss die Helmkalotte ausgeschmiedet werden. Hier leistete der Gipskopf wieder wertvolle Dienste.Wichtig sind die Einhaltung der Symmetrieachsen sowie die gleichmässige Bearbeitung des Materials. Das Material wird abwechslungsweise mit dem Brenner und der Esse erwärmt. Dabei wird das Material entspannt und gleichzeitig die erforderliche Bearbeitungstemperatur erreicht. Der Nackenschirm wird in Wellen aufgeworfen damit er dann im der entsprechenden Neigung abgewinkelt werden kann.
Die Kalotte ist nun fertig ausgeformt und kann vorgeschlichtet (die groben Hammerschläge werden ausgeebnet) werden. Der Nackenschirm wird ausgeebnet und der Helm komplett geschlichtet. Die Konturen des Helmes werden zugeschnitten. Bei der Anprobe wird die Passgenauigkeit überprüft und Ohrausschnitt, Winkel und Länge des Nackenschirmes angezeichnet.
Die Anpassänderungen werden durchgeführt. Die Ohren sind nun ausgeschnitten sowie die Augenkonturen, die Falten im Nacken sowie die Abstufungen im Nackenschirm aus dem Blech herausgearbeitet. Die Wangenklappen wurden vorgefertigt und nun an Helm und Träger angepasst.
Rekonstruktion der Gesichtsmaske
Die Arbeiten am Helm müssen nun unterbrochen werden, da die weiteren Arbeiten von der Form der Gesichtsmaske abhängig sind. Die Gesichtskonturen werden aus dem Ausgangsblech grob herausgearbeitet. Die Gesichtszüge nehmen weiter Form an. Eine absolut perfekt sitzende Maske ist für die Funktion elementar. Die Form muss daher immer wieder am Gipskopf überprüft und angepasst werden. Die Augen, Mund und Nasenöffnungen werden an den entsprechenden Stellen geöffnet und bei einer weiteren Anprobe kontrolliert.
Wenn die Eisenmaske stimmt kann mit der Silbermaske begonnen werden.Das Silberblech muss zwischen den Arbeitsschritten immer erwärmt werden um die entstandenen Spannungen aus dem Material zu bringen und es wieder bearbeitbar zu machen. Die Maske wurde von beiden Seiten mittels verschiedener Hämmer Freihand getrieben.
Um die Details hervorzuheben wurde das Silber auf die Eisenmaske Gespannt und mit extra angefertigten Hämmer geschlichtet.Die Kanten der Maske wurde wie das Original aus Kalkriese ebenfalls mit einer Kupferlegierung eingefasst. Diese wurde versilbert und diente als Kantenschutz und als Verbindung von Eisen und Silberbeschlag.
Die Originalmaske weist im Kinnbereich keine Einfassung mehr auf. Auch konnte nicht abschliessend geklärt werden, ob diese abgebrochen oder gar nie existiert hat. Bei der weiteren Montage merkten wir aber, dass der Silberbeschlag nur mit einer komplett umlaufenden Einfassung sauber hält. Daher wurde die Rekonstruktion mit einer umlaufenden Einfassung ausgeführt.Von links nach rechts: Versilberte Umrandung, Eisenmaske, Silbermaske (vor dem Zusammenbau)Bevor die Maske zusammengenietet wird wurde die Eisenmaske erwärmt und mit einer Schicht Pech überzogen.Die Ränder der Silbermaske wurden um die Eisenmaske umgeschlagen und die Umrandung angenietet.
Die Pechschicht wurde ebenfalls bei der Originalen Maske von Kalkriese nachgewiesen und ist auch handwerklich nachvollziehbar.Die Maske wird nach dem Zusammenbau mit dem Scharnier versehen mit welchem die Maske am Helm befestigt wird. Die Augen-/Nasen- und Mundöffnungen werden erst ganz zum Schluss geöffnet.
Das vorstehende Silber wird nach innen um die Kanten der Eisenmaske gelegt.
Die Originalmaske weist verschiedene Reparaturstellen und Abänderungen im Scharnierbereich auf. Auf diese wurden verzichtet.Die Wangenklappen konnten nun auch angepasst, verzinnt und mit der Bronze Umrandung ausgestattet werden.
Der Helm wurde weiter komplett verzinnt und mit Stirnreif, Schlagbügel und Bronzebeschlägen ausgestattet. Auf der Helmkalotte sitzt auch ein Bronzeplättchen in welches eine Halterung für ein Tierfell gesteckt werden kann.
Die Rosetten wurden alle in eigener Arbeit den Originalbildern aus De Arma Vindonissa nachempfunden. Sie bestehen aus einem Grundplättchen, einem Kupferschälchen, einer Niete und einem emaillierten Plättchen.
Die Wangenklappen wurden an die fertige Maske angelegt und ebenso so angepasst, so das der Träger den Helm auch ohne Maske tragen konnte. Der Helm wurde nach der Übergabe an Daniel Wehrli natürlich prompt und nach historischem Vorbild von demselben mit einem Körner beschriftet. Der Helm wurde rechtzeitig zum grossen Römerfest in Augusta Raurica in Augst (CH) Ende August 2014 fertig. Anlässlich des Festes wurde der Helm wie auch die Maske getragen.
Der Tragekomfort war überraschend hoch. Das Gesichtsfeld ist kaum eingeschränkt. Nur im extremen seitlichen Blickfeld gibt es Einschränkungen.Die Sauerstoffversorgung durch die Nasenlöcher und den Mund funktioniert ebenfalls problemlos.Durch die Atemluft kommt es innerhalb der Maske zu starker Kondenswasserbildung. Dies tropft aber problemlos aus. Auf ein Innenfutter habe ich bewusst verzichtet. Da ich einen kurzen Bart trage, wirkt dies wie ein Innenfutter, die Haut liegt nicht direkt auf dem Eisen auf.
Im Gebrauch hat es sich gezeigt, dass die Maske problemlos durch Infanteristen getragen werden können.
Maske
(Daten der Originalmaske sind kursiv angegeben, Quelle Die Helmmaske von Kalkriese):
Ausgangsmaterial 2.5mm Tiefziehblech Dc04
Masse:
Augenöffnungen links: 8.5 x 45mm (8 x 48mm)
Rechts: 8 X 43mm (7.5 X 44mm)
Nasenöffnungen Links: 14 x 8.5mm (13 x 9mm)
Rechts: 13 x 8.5mm (13 x 8.5mm)
Mundöffnung: 42 x 5.5mm (42 x 4mm)
Metalldicken nach dem ausschmieden:
Wangenknochen: 2.5-3mm (2 bis 3.8mm)
Augenlid: 1.5mm (1.9 bis 3mm)
Nasenwurzel / Stirnmitte: 3mm (2.2mm)
Löcher für Randeinfassung: 2mm (2mm)
Bronze-Randeinfassung: 0.8mm (Ausgangsstärke)
Silberblech: 0.5mm (Ausgangsstärke)
(0.2 bis 0.3mm)
Gewicht:
Silbermaske: 230g
Eisenmaske: 620g
Randeinfassung: 65g
Scharnier: 10g
TOTAL: 925g
Totalgewicht Original 350g
(vorhandene Reste):
Arbeitszeit:
Eisenmaske: 17.5 h
Silbermaske: 13.5 h
Zusammenbau, Anpassen: 28.0 h
TOTAL: 59.0 h