Rekonstruktion eines Weideschildes
Wie alte Schriften uns versichern, so war einst folgende Waffenübung bei den Neulingen der römischen Armee gebräuchlich: Man gab denselben als Schutzwaffe einen aus Weiden geflochtenen Schild und "(...) anstelle von Schwertern hölzerne Knüppel, die ebenso von doppeltem Gewicht waren (…)" (Vegetius Renatus, Epitoma rei militaris, 1.12).
Dies ist die einzige uns bekannte Quelle, welche auch bei den bekannten Illustrationen von Peter Connolly angegeben wird. Wir haben jedoch absichtlich diese Illustrationen ausgeblendet, um unvoreingenommen an die Aufgabe gehen zu können. Daher mussten wir bei der Rekonstruktion auf die Erfahrungen von Korbflechtern zurückgreifen. Mit der Korbflechterei des Blindenheimes in Basel wurde ein kompetenter und erfahrener Partner gefunden, welcher uns schon in der Vergangenheit bei den Rekonstruktionen der Schanzkörbe zur Seite stand.
Wir haben verschiedene Ansätze versucht, sei es mit reinen Flechtarbeiten oder aber mit Verstärkungen aus Holz. Beide Varianten sind absolut „feldtauglich“, in Form und Grösse mit dem regulären Scutum identisch und auch mit relativ wenig Aufwand für einen erfahrenen Flechter her zu stellen. Beide Varianten, mit und ohne Holzverstärkung, kommen jedoch in keiner Weise an das Gewicht eines Holz-Scutum heran, auch bei noch so enger Flechtung und der Verwendung von schweren Hölzern.
Daher muss der Weideschild wohl oder übel mit zusätzlichen Gewichten versehen werden, sollte Vegetius richtig liegen mit den Beschreibungen in seinem Buch, dass die Übungswaffen doppelt so schwer gewesen sein sollen wie jene, welche im Kampf verwendet wurden. An dieser Stelle muss aber auch erwähnt werden, dass Vegetius gut drei Jahrhunderte nach den von ihm beschribenen Zustände lebte, er also auch nur auf Informationen aus zweiter Hand zurückgreifen konnte.
Wir haben uns bei der Rekonstruktion für mit Sand gefüllte Ziegenlederschläuche entschieden, welche an dem Weideschild befestigt werden können. Wir sehen in dieser Methode folgende Vorteile:
- Variable Gewichte, je nach Trainingsstand des Rekruten
- Ideale Gewichtsverteilung am Schild
- Günstige und genügend vorhandene Rohstoffe (Lederabschnitte und Sand)
- Einfache und schnelle Herstellung
- Stabil und strapazierfähig
Wir gehen nicht davon aus, dass die Weideschilde mit Metall beschwert wurden, da Metall für Übungswaffen sicherlich zu teuer gewesen wäre. Auch auf einen Umbo (Schildbuckel) aus Eisen haben wir verzichtet und uns stattdessen für die Variante eines geflochtenen Schildbuckels entschieden, welcher ebenfalls mit einem Sandsack ausgestattet werden könnte. In der ledernen Schutzhülle des Scutum eingepackt könnte nochmals zusätzliches Gewicht erreicht und die Weiden vor Beschädigung während des Trainings geschützt werden. Ausserdem kann der Rekrut nicht mehr durch die Schlitze des Geflechtes sehen, was zu einem optimalen Training beiträgt.
Die Feldversuche haben jedoch gezeigt, dass aus trainingsspezifischer Sicht ein doppeltes Gewicht von Schild und Schwert bei täglicher Anwendung keinen wirklichen Sinn ergibt, denn das Timing und die Bewegungsabläufe sind nicht gleich und würden auf lange Sicht nicht zu dem gewünschten Effekt führen. Dass jedoch einzelne Einheiten mit viel Gewicht die Explosivität und Dynamik der Bewegung fördern, ist unbestritten und wurde vielleicht auch so umgesetzt, aber man kann davon ausgehen, dass dies nicht täglich geschah.
Beat Joos